Erforschung eines industriellen laserbasierten Nano-3D-Druckverfahrens für hierarchisch strukturierte Knorpel-Knochen-Implantate auf Polymerbasis (Poly-IMPLANT-Druck)

Medizintechnik

Auf dem linken Bild sieht man die schematische Darstellung eines biphasischen Implantats für die Therapie von Knorpel-Knochen-Defekten. Das Implantat besteht aus einer, in gelb dargestellten, Knochenphase und einer, in blau dargestellten, Knorpelphase, die unterschiedlich strukturiert sind, aber aus einem Stück gefertigt werden. Das rechte Bild stellt die Verwendung im Kniegelenk dar.

Erforschung eines industriellen laserbasierten Nano-3D-Druckverfahrens für hierarchisch strukturierte Knorpel-Knochen-Implantate auf Polymerbasis (Poly-IMPLANT-Druck)

Kompetenzen:

  • Implantate

    Knochen

    Knorpel

    Nanotechnologie

    Polymere

Koordinator:

  • Thomas Oberbach

    Mathys Orthopädie GmbH

Projektlaufzeit:

01.05.2019 - 30.04.2024

Aufgaben im Projekt

Mathys Orthopädie GmbH
Erforschung implantatspezifischen Operationsbestecks

IBA Heiligenstadt e.V.
Erforschung der Photopolymere und der 3D-Scaffolds

Multiphoton Optics GmbH
Erforschung eines 2PP-Verfahrens zum 3D-Druck des Implantates

Meidrix Biomedicals GmbH
Erforschung der Kollagenfunktionalisierung der Implantate

Universität Gießen
Erforschung der osteogenen Differenzierungsfähigkeit im Implantat

Beschreibung

Poly-IMPLANT-Druck

Liefeith K.1, Hauptmann N.1, Brandes N.1, Wloka T.1, Czich S.1, Ludolph J.1, Rost J.1, Rothe H.1, Hildebrand G.1, Gumbert J.2, Mardare C.2, Welzel J.2, Noll M.2,
Krupp A.3, Lechner J.3, Kohlhaas S.3, Mair V.3, Dupuis Y.3, Houbertz R.3, Wiedenmann J.3, Stender B.3, Mokros J.4, Liebelt M.4, Oberbach T.4, Ortmann C.4, Lehner V.5, Biehl C.5, Czub L.5, Fibbe M.J.5, Heger I.M.5, May P.5, Plit F.J.5, Rießle Fernandez-Tenllado, A.T.5, Sommer U.5, Spreda M.5, Tüngler T.L.5, Wagner M.5, Wattenbach J.M.5, Wischniewski F.5, Wunderer M.5, Lips K.S.5

1Institut für Bioprozess- und Analysenmesstechnik e.V., Heilbad Heiligenstadt (iba)

2meidrix biomedicals GmbH, Esslingen (meidrix)

3Multiphoton Optics GmbH, Würzburg (MPO)

4Mathys Orthopädie GmbH (Mathys)

5Experimentelle Unfallchirurgie, Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)

Zusammenfassung

Im Rahmen dieses Verbundprojektes sollen biphasische Scaffolds aus biokompatiblen und bioabbaubaren Materialien als Knochen-Knorpel-Implantate konzipiert, hergestellt und getestet werden. Hierzu wurde u.a. eine neue Polymerplattform, das Poly(Amid-co-e-Caprolactone) dimethacrylat (ACM), erfolgreich etabliert. Außerdem wurde eine industrielle 2-Photonen-Polymerisationsanlage zur Herstellung der monolithischen biphasischen Scaffolds entwickelt. Zellbiologische in vitro-Untersuchungen mit dem neuen Material zeigen eine gute Biokompatibilität, sodass die erfolgversprechenden in vitro-Ergebnisse zusätzlich in vivo in einem Großtiermodell am Schaf bestätigt wurden. Zur Durchführung der Tierversuche wurde ein entsprechendes Operationsinstrumentarium zum Einsetzen der osteochondralen Implantate (Scaffolds) optimiert und hergestellt.

1.      Einleitung

Aufgrund der begrenzten Regenerationsfähigkeit von Knorpelgewebe heilen oberflächliche Defekte nicht selbstständig, wohingegen bei einer Mitschädigung des unter dem Knorpel liegenden Knochens eine Neubildung von Faserknorpel erfolgt, welcher jedoch weniger belastbar und anfällig für degenerative Veränderungen ist. Schädigungen an der Knorpelschicht und an dem darunterliegenden Knochengewebe führen meist zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität, hohen Kosten im Gesundheitssystem sowie zu wirtschaftlichen Schäden durch oft monatelange Ausfallzeiten der Patienten. Ursachen können sowohl Unfälle und Sportverletzungen wie auch degenerative Erkrankungen (Osteoarthritis, Osteoporose) sein.
Ziel dieses Projektes ist daher die Etablierung monolithischer biphasischer Implantate mit intrinsischer Heterogenität zur Stimulation der Gewebe-regeneration von Knorpel‑Knochen‑Defekten und die Erarbeitung eines Instrumentariums für dessen unversehrte Implantation in eine definierte Kavität im Knochen.

2.      Ausgangssituation

Ein Material, welches häufig für Knochen-Knorpel-Implantate verwendet wird, ist Poly((D, L)-Laktid-co-e-Carpolactone) dimethacrylat (LCM). LCM zeichnet sich durch eine gute Biokompatibilität aus und ist zusätzlich biologisch abbaubar. Jedoch, wird bei der Degradation Milchsäure freigesetzt, wodurch der pH-Wert des Gewebes abgesenkt wird und nachfolgend inflammatorische Reaktionen initiiert werden können. Durch den Austausch der Milchsäure durch eine biogene Aminosäure soll dieser gewebeschädigende Prozess unterdrückt werden. Diese Überlegungen führten zur Entwicklung eines neuen Polymermaterials, dem Poly(Amid-co-e-Caprolactone) dimethacrylat (ACM), das im Bereich des osteochondralen Tissue Engineerings genutzt werden soll.

3.      Motivation und gesellschaftlicher Nutzen

3.1        Übergeordnete Ziele des Verbundprojekts

Die Ziele dieses Projekts lagen in der Strukturierung von biphasischen Scaffolds mittels der Zwei-Photonen Polymerisation (2PP) als Knochen-Knorpel-Implantate. Als Material für diese Implantate dienten das Referenzmaterial LCM und das neu entwickelte ACM. Die hergestellten Scaffolds wurden anschließend mit modifizierten Kollagengelen beladen, um ein ideales Milieu für die Zelldifferenzierung von humanen mesenchymalen Stammzellen (hMSC) in Chondrozyten bzw. Osteoblasten zu erhalten. Abschließend wurden in einem Tierversuch die hergestellten und beladenen Implantate auf die Biokompatibilität und Funktionalität bzgl. der Anwendung als osteochondrales Implantat geprüft.

 3.2        Ziele / Beiträge der Teilprojekte

iba:

·       Herstellung monolithischer, biphasischer 3D-Trägerkonstrukte auf Basis von Poly-((D,L)-Laktid-co-ɛ-Caprolacton) dimethacrylat und Poly-(Amid-co-ɛ-Capro-lacton) dimethacrylat, welche als degradierbare, biokompatible Precursor-materialien für die 2-Photonen-Polymerisation dienen

·       Variation des Monomer Verhältnisses zur Erarbeitung einer Materialplattform mit definierten einstellbaren Eigenschaftsspektrum

·       Prozessierung der Copolymere zu mono- und biphasischen Scaffolds mit mechanischen Kennwerten, welche der physiologischen Osteo- bzw. Chondrophase entsprechen, wobei eine bisher kritische Verbindung zwischen beiden Phasen durch die methodisch vorgegebene, monolithische Fertigungs-weise vermieden wird

·       Biofunktionalisierung der mono- und biphasischen artifiziellen Trägerstrukturen zur Stimulation spezifischer Gewebeneubildungen in Knochen-Knorpel-Defekten

·       Vergleichende in vitro-Testung zur Besiedlungseffizienz, Proliferation, Morphologie und Differenzierung von mesenchymalen Stammzellen und Chondrozyten innerhalb der verschiedenen Polymermaterialien

·       Etablierung einer Methode zur mechanischen Stimulation von zellbeladenen Scaffolds zur Analyse der Genexpression Osteo- bzw. Chondrophasen-spezifischer Marker

meidrix:

·       Präparation und Charakterisierung einer hochkonzentrierten Kollagenlösung, die sich durch sehr native und gelierfähige Eigenschaften auszeichnet

·       Untersuchung der spezifischen Zellaktivität und Zellverträglichkeit von Chondrozyten und Osteoblasten auf die unterschiedlichen Matrices

·       Untersuchung geeigneter Bedingungen für die Kollagenmodifizierung um vitale Zellen in Kollagengele einbringen zu können

·       Entwicklung eines Migrations-Assays zum Nachweis der Einwanderung von Zellen in die Scaffolds

·       Methodenentwicklung zum effektiven Füllen von Scaffolds mit Kollagen mittels Unterdruck im Vakuumexsikkator und alternativ mit Hilfe einer Apparatur mit der die chondrogene und osteogene Seite der Scaffolds separat befüllt werden können

·       Nachweis der homogenen Füllung der Scaffolds mit Kollagenmatrix durch Anfärben der gefüllten Scaffolds und deren histologischen Schnitten mit geeigneten Färbelösungen

·       Scaffoldbefüllung mit Kollagengelen in Verbindung mit Zellen und Wachstums-faktoren

·       Entwicklung und Optimierung geeigneter Gamma-Sterilisationsverfahren

MPO:

·       Entwicklung eines 2-Photonen-Polymerisationsprozesses für die Fabrikation von Scaffolds aus LCM und ACM

·       Analyse der 3D-Struktur mittels optischer und elektronenmikroskopischer Verfahren

·       Herstellung von monophasischen und biphasischen Scaffolds aus LCM, ACM und OrmoCompâ

·       Entwicklung einer industriellen 2PP-Anlage für die automatisierte Herstellung von monolithischen biphasischen Scaffolds

·       Skalierung und Evaluation des Durchsatzes des 2-Photonen-Polymerisations-prozesses

Mathys:

·       Produktnahe Charakterisierung der biphasischen Scaffolds durch Fotodokumentation, berührende und nicht berührende (optische) Vermessung der äußeren Geometrie der LCM- und ACM-Scaffolds, Wägung der Scaffolds

·       Charakterisierung der inneren Struktur der biphasischen LCM- und ACM-Scaffolds (Stegbreiten, Porengröße und -verteilung) durch optische Vermes- sung, Lichtmikroskopie, REM-Untersuchung und µCT-Analyse

·       Entwicklung eines Operationsinstrumentariums durch Konstruktion der erforderlichen Instrumentenbestandteile: Schneidwerkzeug (keramisch und metallisch), Griff, Verbindungselement zwischen Griff und Schneidwerkzeug sowie polymere Setzhülse für das Implantieren des polymeren Scaffolds

·       Fertigung der Instrumentenkomponenten durch konventionelle CNC-Fertigung bzw. additive Fertigung

·       Optimierung des Instrumentariums und der OP-Technik entsprechend der Tests am Kunstknochen und am Schafkadaverknochen

·       Implantation von LCM- und ACM-Scaffolds mit dem von Mathys entwickelten Instrumentarium in den Kunstknochen und einen Schafkadaverknochen

·       Mechanische Testung der LCM- und ACM-Scaffolds

·       Bereitstellung eines für die Tierversuche geeigneten Instrumentariums

JLU:

·       Bereitstellung von primären humanen mesenchymalen Stammzellen und Monozyten sowie Etablierung von Differenzierungsprotokollen in Osteoblasten und Chondrozyten bzw. Osteoklasten

·       Untersuchung der zellulären Verträglichkeit, Proliferations- und Differenzierungsfähigkeit humaner und oviner mesenchymaler Stammzellen am Interface der Implantate und dem Kollagenfiller (Biogel)

·       Analyse der in vitro-Osteoklastogenese und Aktivität der Osteoklasten am Implantat

·       Überprüfung der in vitro-Ergebnisse in einem in vivo-Großtiermodell am Schaf

 

4.       Ergebnisse

Abbildung 1: Darstellung der chemischen Strukturen von LCM und ACM.

iba:

Im Rahmen dieses Teilvorhabens sollte zunächst eine neue biokompatible und bioabbaubare Polymerplattform entwickelt werden. Dazu wurde zunächst ein Protokoll für die Synthese von Poly-(Amid-co-ε-Caprolacton) dimethacrylat (ACM) entwickelt und optimiert, um eine höhere Ausbeute zu erzielen (Hauptmann et al. 2022). Als Referenzsystem wurde das bereits etablierte Poly-((D,L)-Laktid-co-ε-Capro-lacton) dimethacrylat (LCM) kontinuierlich synthetisiert (Hauptmann et al. 2019). Außerdem wurden die Polymere hinsichtlich ihrer mechanischen Eigenschaften charakterisiert. Die chemischen Strukturen sind in Abbildung 1 dargestellt.

 

Das Design des osteochondralen Implantats (Scaffold) wurde unter Berücksichtigung der physiologischen Bedingungen im Knochen-/Knorpelgewebe entwickelt. Hierbei spielten insbesondere der E-Modul, die Porosität, die Porenverteilung sowie die Porengröße eine zentrale Rolle.

Der Knochen hat typischerweise einen höheren E-Modul im Vergleich zum Knorpel, was seine Festigkeit und Steifigkeit widerspiegelt. Um diese natürlichen Bedingungen nachzuahmen, wurde die Knochenphase des Scaffolds mit einem physiologisch adäquaten E-Modul entworfen, um eine ausreichende Festigkeit zu gewährleisten. Die Knorpelphase hingegen weist einen niedrigeren E-Modul auf, um die Flexibilität und Dämpfungseigenschaften des natürlichen Knorpels entsprechend der physiologischen Situation zu imitieren.

Die Porosität des Scaffolds beeinflusst sowohl die mechanischen Eigenschaften als auch die biologische Integration. Eine hohe Porosität in der Knochenphase fördert das Einwachsen von Knochenzellen und die Vaskularisierung, was für die langfristige Integration und Stabilität des Implantats entscheidend ist.

Die Porenverteilung und -größe wurden daher so gewählt, dass sie die spezifischen Anforderungen der Knochen- und Knorpelregeneration erfüllen. In der Knochenphase des Scaffolds sind größere und gleichmäßig verteilte Poren vorhanden, um das Einwachsen von Osteoblasten und die Bildung von neuem Knochengewebe zu unterstützen. Für die Knorpelphase wurden kleinere Poren mit einer kontrollierten Verteilung implementiert, um die Chondrozyten-Infiltration und die Bildung von Knorpelmatrix zu fördern.

Abbildung 2: Aufbau des Scaffolds aus mehreren Einzelstrukturen.

 

Insgesamt ermöglicht dieses differenzierte Design (siehe Abbildung 2), welches auf den spezifischen mechanischen und biologischen Anforderungen von Knochen und Knorpel basiert, eine optimierte Funktionalität und Integration des osteochondralen Implantats. Die sorgfältige Abstimmung der genannten Parameter stellt sicher, dass das Scaffold die notwendigen strukturellen und biologischen Eigenschaften aufweist, um die Heilung und Regeneration von osteochondralen Defekten effektiv zu unterstützen.

Außerdem erfolgte eine mechanische Charakterisierung von Knorpelbiopsien mit dem Ziel, die Steifigkeiten der Scaffolds mit der physiologischen Situation vergleichen zu können.

Mit dem Ziel der Biofunktionalisierung der Scaffolds wurden die Materialien mit Heparin beschichtet sowie bioaktive Kollagengele hinsichtlich der Biokompatibilität bzw. Unterstützung der Differenzierung von humanen mesenchymalen Stammzellen in Knochen-/Knorpelzellen untersucht. Zudem wurde eine Gelbeladungskammer entwickelt die es ermöglicht, die zwei Phasen der Scaffolds separat mit bioaktiven Kollagengelen zu befüllen. Für die mechanischen Testungen der Scaffolds wurde eine Stimulierungskammer entworfen, die eine mechanische Stimulation (auch bei sehr kleinen Amplituden) bei gleichzeitiger Medienversorgung sicherstellt.

meidrix:

Kollagenlösungen konnten in Konzentrationen zwischen 0,1 und 15 mg/ml Kollagen Typ I in 0,1 %iger Essigsäure eingestellt werden. Hierfür wurde Kollagen Typ I aus Rattenschwanzsehnen durch ein schonendes, säurebasiertes Extraktionsverfahren (nicht enzymatisch) isoliert. Die Bildung von Hydrogelen durch Gelierung der sauren Kollagenlösung (pH 3,8 ± 0,4) wurde mithilfe einer 5-fach Gelneutralisationslösung (5GNL; pH = 8,3 ± 0,05) erreicht. Bei einem Mischungsverhältnis 4:1 (4 Teile Kollagen + 1 Teil 5GNL) konnten stabile Kollagengele hergestellt werden.

Aus Schlachtabfällen von Rindern, vorzugsweise aus dem Kniegelenk, wurden durch enzymatischen Verdau mit Kollagenase bovine Chondrozyten aus dem Knorpel sowie bovine mesenchymale Stammzellen (MSCs) und bovine Osteoblasten aus der Knochenspongiosa isoliert. Weiterhin wurden aus dem Unterhautfettgewebe adipöse mesenchymale Stammzellen (ASCs) isoliert. Die Zellen wurden entsprechend charakterisiert und konnten in Kollagengelen erfolgreich kultiviert werden.

In einem eigens dafür entwickelten Migrationsassay konnte gezeigt werden, dass bovine Chondrozyten und Osteoblasten bei unterschiedlichen Kollagen-konzentrationen (4, 6, 8 mg/ml Kollagengehalt) in zellfreie Bereiche („Defekte“) einwandern. Ein Trend bei den verwendeten unterschiedlichen Kollagen-Konzentrationen hinsichtlich des Migrationsverhaltens war nicht erkennbar.
Bei den Osteoblastenexperimenten waren die Zellzahlen insgesamt niedriger als bei Chondrozytenexperimenten (nur ca. 10 % der Zellzahl der Chondrozyten-Versuche).

Weiterhin wurde eine Methode zur effektiven Befüllung von Scaffolds mit Kollagen mittels Unterdruck und Zentrifugation entwickelt. Alternativ dazu kann mit einer durch das iba entwickelten Apparatur die chondrogene und osteogene Seite der Scaffolds separat mit Kollagengel befüllt werden.

Ein geeignetes Gamma-Sterilisationsverfahren für die Endsterilisation wurde etabliert. Bei einer Dosis von 17,5 bis 25 kGy und gekühlten Bedingungen (ca. 4°C) konnten Kollagen befüllte LCM3- und ACM-Scaffolds erfolgreich sterilisiert werden. Die Kollagen-Befüllung blieb erhalten, rheologische Messungen zeigten keinen Unterschied im Vergleich zu nicht gamma-bestrahlten Scaffolds und MTT-Assays zeigten keine zytotoxischen Effekte durch die Bestrahlung.

Abbildung 3: a) Schematischer Aufbau der industriellen 2-Photonen-Polymerisations Anlage. b) Optische und elektronenmikroskopische Aufnahmen eines LCM-Scaffolds.

MPO:

Zunächst wurde im Rahmen des Teilvorhabens eine industrielle 2-Photonen-Polymerisations Anlage zur Herstellung von monolithischen biphasischen Scaffolds entwickelt. Eine schematische Skizze der Anlage ist in Abbildung 3a) dargestellt. Der Einsatz eines F-Theta Objektivs und eines Badaufbaus erlaubt es hierbei, Zentimeter große Strukturen in allen drei Raumrichtungen schnell und präzise zu fertigen. Im Laufe des Projektes wurde die Anlage um verschiedene Module erweitert, um den Prozess weiter zu automatisieren. Der Prototyp wurde mit einem Pick und Place System ausgestattet, welches es erlaubt das Material in situ zu wechseln. Das Materialbad kann beheizt werden und über Mikropumpen kann der Scaffold in der Anlage in einem Entwicklerbad von nichtpolymerisiertem Material getrennt werden.

 

Fertigungsprozesse für die verschiedenen Materialien LCM, ACM und OrmoCompâ wurden über Parametervariationen und Optimierung des Entwicklungsvorgangs erarbeitet. Hierfür wurde Experimente mit verschiedenen Laserleistungen, Schreibgeschwindigkeiten, Photoinitiatoren (Wloka et al. 2022) sowie variierenden Slice- und Hatch-Abständen durchgeführt. Die Strukturen wurden anschließend mit verschiedenen optischen und elektronenmikroskopischen Verfahren analysiert, um Formabweichungen zu korrigieren (siehe Abbildung 3b).

Für die Projektpartner wurde monophasische und biphasische Scaffolds aus den o.g. Materialien für verschiedenste mechanische und biologische Testungen und die Tierversuche hergestellt.

Abbildung 4: Darstellung der Zellvolumenanalyse im µCT.

Mathys:

Durch die Projektpartner wurden biphasische zylindrische LCM- und ACM-Scaffolds sowie Scaffolds mit stochastischer Porenverteilung (salt leaching Verfahren) zur Verfügung gestellt, die bei Mathys charak-terisiert wurden. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich die Scaffolds elastisch verhalten und nach der Deformation wieder ihre ursprüngliche Form annehmen. Die optische Vermessung und die µCT-Analyse erwiesen sich als effektive Charakterisierungsmethoden. Abbildung 4 zeigt beispielhaft die Zellvolumenanalyse für den biphasischen ACM-Scaffold, weiterführend fasst Tabelle 1 die im µCT ermittelten Kennwerte zusammen.

Tabelle 1: Mittleres Zellvolumen, mittlerer Äquivalenzdurchmesser und mittlere Stegbreiten für Osteophase und Chondrophase der LCM- und ACM-Scaffolds (biphasisch 2PP).


Die biphasischen ACM-Scaffolds zeigen im Vergleich zu den LCM-Scaffolds etwas feinere Poren und Stege, ansonsten sind sich die 2PP-generierten LCM- bzw. ACM-Implantate aus geometrischer Sicht sehr ähnlich.

Abbildung 5: Instrument-basiertes Setzen eines LCM-Scaffolds in eine Kavität im Kunstknochen

Für die im Tierversuch zu implantierenden Scaffolds wurde eine Höhe von 10 mm und ein Durchmesser von 7 mm festgelegt. Aufgrund dieser Vorgaben wurde ein Operationsinstrumentarium konstruiert und gefertigt (bestehend aus keramischen, polymeren und metallischen Komponenten). Die Fertigung erfolgte mit verschiedenen Technologien – additive Fertigung und CNC-Fertigung. Es erfolgte eine Optimierung des Instrumentariums entsprechend der ersten Versuchsergebnisse am Kunst- und Schafkadaver-Knochen zur Erzeugung einer Kavität im Knochen. Es konnten LCM3- und ACM-Scaffolds erfolgreich in den Kunstknochen (siehe Abbildung 5) und einen Schafkadaverknochen „implantiert“ werden. Schlußendlich wurden mit dem Instrumentarium auch alle Tierversuche durchgeführt.

JLU:

Die neu etablierte Scaffoldgeometrie aus Schwarz-P-Strukturen wurde mittels hMSC an LCM-Scaffolds untersucht. Hierbei wurde nachgewiesen, dass LCM keinen zytotoxischen Effekt auf die hMSC hat, sondern die metabolische Aktivität der Zellen kurz nach der Besiedlung stimuliert (Spreda et al. 2021). Am LCM fand eine physiologische Differenzierung der hMSC zu Osteoblasten und der Monozyten zu Osteoklasten statt. Die Aktivität der Osteoklasten war jedoch reduziert (Spreda et al. 2021), was für die stabile ossäre Integration der Implantate einen Vorteil darstellt.

Die knöcherne Integration soll durch die Füllung der Poren des Implantats mit Kollagenfiller stimuliert werden. Die Analyse des Kollagenfillers zeigte, dass dieser sowohl auf der Ebene der Osteoklasten als auch für die hMSCs, Osteoblasten und Osteozyten geeignet ist.

Die Zytokompatibilitätsuntersuchung wies für keines der Polymere (LCM, ACM) eine pro-inflammatorische Reaktion nach. Eine der Positivkontrolle entsprechend gute Chondrogenese in der Monolayerkultur konnte für LCM dargestellt werden, während die Zellen am ACM eine schlechtere Vitalität aufwiesen. Die Synthese von Kollagen II, dem für hyalinen Gelenkknorpel typischen Kollagentyp, zeigte keinen Unterschied zwischen LCM und ACM.

In der 3D Chondrogenese wurden Knorpelzellen als Mikropellets generiert. Hierbei waren die Pellets am LCM signifikant vergrößert im Vergleich zu den Pellets, die ohne Materialgabe kultiviert wurden. Dieser Matrixzugewinn konnte bei den ACM-Pellets nicht beobachtet werden.

Im Vorfeld des Schaf-Tiermodells wurde die Vitalität oviner MSC am Interface der Implantate vergleichend untersucht und festgestellt, dass Zellen an LCM eine signifikante Zunahme der Vitalität im Vergleich zu ACM aufwiesen. Diese Ergebnisse wurden mittels einer Langzeitkultur mit einer Laufzeit von 40 Tagen verifiziert.

Zur in vivo-Überprüfung der in vitro-Ergebnisse wurde ein Großtiermodell durch-geführt, bei dem 15 weiblichen Röhnschafen jeweils 2 Scaffolds in das distale Femur eingesetzt wurden. Die Tiere wurden hierfür in 3 Gruppen mit jeweils 5 Schafen (n = 5) unterteilt. Die erste Gruppe erhielt Implantate aus LCM, die zweite Gruppe aus LCM, bei dem die Porenräume mit Kollagengel gefüllt waren und die dritte Gruppe Scaffolds aus Kollagengel-befülltem ACM. Die drei Gruppen wurden jeweils um ca. 3 Monate versetzt operiert. In der voroperativen Akklimationsphase erhielten die Schafe ein ausgedehntes medical-health-training, dass eine stressfreie Versorgung der Tiere im Anschluss an die Operation erlaubte. Die Tieroperation wurde in Vollnarkose unter sterilen Bedingungen und angepasster Analgesie durchgeführt. Das Vorgehen wurde im Vorfeld des Tierversuchs vom Regierungspräsidium Gießen überprüft und unter der Nummer V54 – 19 c 20 15 h 01 GI 20/28 Nr. G 2/2022 genehmigt. Für das Setzen des osteochondralen Defekts und das Einführen des Scaffolds wurde das vom Verbundpartner Mathys zur Verfügung gestellt Instrumentarium verwendet. Eine Implantatserie wurde proximal (P) in den unbelasteten Bereich und die andere distal (D) in den belasteten Bereich des Kniegelenks eingebracht. Direkt nach der Operation wurden die Tiere für ca. 4 Wochen im Stall unter intensiver Betreuung gehalten. Im Anschluss daran wurden sie auf eine Weide verbracht, wo sie deutlich mehr Bewegungsmöglichkeiten hatten. Während der postoperativen Verweildauer von 3 Monaten wurden Blutproben zu den Zeitpunkten Tag 0, 5, 15, 30, 60 und 90 gesammelt sowie die Schrittzahl mit einem Pedometer gemessen. Mittels einer Pentobarbitalinfusion wurden die Schafe euthanasiert und im Anschluss die weiteren Proben entnommen und aufgearbeitet.

Die Untersuchung des C-reaktiven Proteins (CRP), dessen Konzentration bei entzündlichen Prozessen ansteigt, zeigten für die Blutproben sowie für die Synovialflüssigkeit, dass es bei den Schafen mit LCM-Implantaten kurz nach der Operation zu einer kurzzeitigen transienten Entzündungsreaktion gekommen ist, die bei zusätzlicher Verwendung des Biogels verstärkt war. Die geringste proinflammatorische Reaktion lag bei den mit Biogel gefüllten ACM Implantaten vor.

Für die makroskopische Untersuchung der Einheilung der Implantate wurden die im klinischen Alltag eingesetzten Scores der International Cartilage Repair Society (ICRS) und nach Wayne et al. 2005 verwendet. Der statistische Vergleich der drei Implantatgruppen sowie der unterschiedlichen Lokalisationen der Implantate wies keine signifikanten Unterschiede auf. Dies könnte durch die hohe Varianz innerhalb einer Gruppe bedingt sein. Es waren sowohl Tiere mit sehr guter als auch stark verzögerter Defektheilung innerhalb einer Gruppe zu finden.

Abbildung 6: Schrittzahlbestimmung mittels Pedometer.

Die Auswertung der Schrittzahl, gestaltet sich sehr schwierig, da viele äußere Einflüsse die Pedometermessung beeinflussten. Zum Beispiel führte die Anlieferung von Heu auf der Weide zu einem massiven Anstieg der Schrittzahl an dem entsprechenden Tag. Für eine erste vergleichende Einschätzung wurden für jedes Schaf die wöchentliche durchschnittliche Schrittzahl errechnet und für die statistische Analyse der Median gebildet. Im Gruppenvergleich waren keine signifikanten Unterschiede zu finden. Es zeigt sich jedoch an den Medianen, dass die Gruppe 1 die geringste Schrittzahl zurücklegte, während bei der Gruppe 2 eine Steigerung zu verzeichnen war. Die meisten Schritte legte die Gruppe 3 mit den ACM-Implantaten zurück (Abbildung 6).

Die Abbauprodukte der Implantate werden über die Lymphgefäße den regionalen Lymphknoten zugeführt. Sollten sich in der Lymphe Schadstoffe befinden, ist von einer vermehrten Proliferation der Lymphozyten, gesteigertem Auftreten von Makrophagen und einem Anstieg von proinflammatorischen Markern auszugehen. Eine Proliferation kann zusätzlich zu einer Vergrößerung der Lymphknoten auch zu einem erhöhten Gewicht führen. Beim statistischen Vergleich der Lymphknotengewichte waren keine signifikanten Unterschiede zu ermitteln. Immunhistochemisch konnten die T-Zellen im Lymphknoten mittels CD3-Antikörper markiert und histomorphometrisch quantifiziert werden. Im statistischen Vergleich ergab sich eine signifikante Reduktion der T-Zellen in den Lymphknoten der ACM-Biogelgruppe im Vergleich zu den beiden anderen Implantatgruppen.

Vom distalen Femur wurden histologische, immun- und enzymhistochemische Färbungen sowie histomorphometrische Vermessungen angefertigt. Bei allen drei Implantatengruppen und an beiden Implantationsorten ist Gewebe in alle Makroporen eingewachsen sogar in die zentral gelegenen Poren. Im Bereich der Osteophase wurde teilweise bereits mineralisierte Knochenmatrix mit eingemauerten Osteozyten sowie zahlreiche Gefäße in den Makroporen angetroffen. Zusätzlich konnten Zellen mit positiver Enzymreaktion für den Osteoklastenmarker tartratresistente saure Phosphatase (TRAP) in einzelnen Poren nachgewiesen werden. Diese für die Biodegradation wichtigen Zellen waren teilweise direkt am Implantat lokalisiert. Im Bereich der Chondrophase wurden im Regenerat Kollagen Typ II immunpositive Fasern und Zellen detektiert. Bei den LCM-Implantaten waren diese vermehrt anzutreffen und auch in den Mikroporen nachzuweisen. Hyaliner Knorpel mit Maskierung der Fasern und den typischen isogenen Gruppen waren im Regenerat bei keinem der Implantate zu beobachten. Zusätzlich waren Gefäße im Regenerat zu finden sowie gelegentliche Ansammlungen immunkompetenter Zellen. Diese Ansammlungen waren auch im Granulationsgewebe der Osteophase anzutreffen und sollen in zukünftigen Untersuchungen adressiert werden.

Molekularbiologisch konnte mittels real-time RT-PCR ein signifikanter Anstieg der frühen Knorpelbildung in LCM-Implantaten, deren Poren mit Biogel gefüllt waren im Vergleich zu Implantaten ohne die zusätzliche Stimulation durch das Biogel nachgewiesen werden. Histologisch war das Biogel drei Monate nach der Implantation nicht mehr nachzuweisen. Überraschenderweise war keine eindeutige Stimulation der Knorpelbildung in den distalen Implantaten im Vergleich zu den proximalen nachzuweisen. Elektronenmikroskopisch wurde eine gute Anbindung des umgebenden Gewebes an die Implantatstrukturen aller Implantate beobachtet.

5.       Ausblick

Das hier etablierte Design der biphasischen osteochondralen Implantate mit interkonnektierenden Makro- sowie biomimetischen Mikroporen ermöglichte eine Stimulation der Zellen in vitro sowie eine verbesserte Defektheilung in vivo. Das Biogel mit seiner migrationssteigernden Wirkung verstärkte die positive Wirkung der Implantate. Im in vivo-Großtiermodell wurden für keines der verwendeten Implantate adverse Nebenwirkungen beschrieben. Die Bildung eines dem „nativen“ hyalinen Gelenkknorpels entsprechenden Regenerats konnte nach der 3-monatigen Standzeit jedoch nicht erzielt werden. Weiteres Verbesserungspotential könnte durch die Beschichtungen der Implantate sowie die Freisetzung von chondro-induktiven Substanzen aus den Implantaten während der Biodegradation erzielt werden. Bezüglich der Biodegradation war zum postoperativen Zeitpunkt nach drei Monaten eine gute Durchbauung der Implantate sowie eine weitgehende Erhaltung zu beobachten. Zukünftig wäre es von großem Interesse, die in vivo-Biodegradation und Chondrogenese über einen längeren Zeitraum zu verfolgen.

Projektpartner

Mathys Orthopädie GmbH
FKZ: 13XP5089A

IBA Heiligenstadt e.V.
FKZ: 13XP5089C

Multiphoton Optics GmbH
FKZ: 13XP5089D

MEIDRIX Biomedicals GmbH
FKZ: 13XP5089E

Justus-Liebig-Universität Gießen
FKZ: 13XP5089F

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